Presse

Presse

Rezension in der SMZ

Download

Smz Mai 2018.pdf

Niklaus Rüegg in der Schweizer Musikzeitung, Ausgabe Mai 2018, Seite 15:

"Rezepte für die künstlerische Musikvermittlung"

Grün, rosa, gelb und weiss springt es einem entgegen, das druckfrische Buch vom enfant prodige der Musikvermittlung Barbara Balba Weber – ebenso bunt ist ihre Botschaft.
Lange Zeit war die Musikvermittlung für kleine und grössere Kinder (Kindergartenkonzerte, kindgerechte Opernbearbeitungen), später für Jugendliche (Edu-Projekte) gedacht. Man wollte die Jungen rechtzeitig für die «richtige» Musik begeistern, zu gutem Geschmack erziehen und für Blutauffrischung im Publikum sorgen. Barbara Balba Weber öffnet mit der künstlerischen Musikvermittlung den Fokus beträchtlich, lässt sowohl die Altersschranken als auch die Einweg-Belehrung fallen, indem sie die Zielgruppen in alle Richtungen erweitert.
«Künstlerisch» ist die Vermittlung, weil sie unter Zuhilfenahme künstlerischer Mittel geschieht. Im Zentrum steht vor allem die klassische Musik, doch sollte das Prinzip, auf andere Stile angewandt, ebenfalls funktionieren. Für Weber umfasst das Vermittlungskonzept den Einbezug von Amateuren, Profis sowie neuen Bevölkerungsschichten, die bisher noch nicht in Kontakt mit dieser Musikgattung gekommen sind, ja sie will sogar «ein klassikfernes Publikum, Hilfs- und Reinigungspersonal» ansprechen.
Ihre sieben Thesen erheben den Anspruch, gewohnheitsmässige Konstanten verändern zu können, wie musikalische Vorlagen, die Wahrnehmung von Musik, die Konzertkultur, die Kluft zwischen Profis und Amateuren. Darüber hinaus soll künstlerische Musikvermittlung nicht nur den Menschen selbst verändern können, sondern auch Machtverhältnisse und das System, in dem sie tätig sind. Das subversive Auf-den-Kopf-Stellen von eingeübten Konventionen und nicht hinterfragten Traditionen, das lustvolle Experimentieren mit Rollenbildern, gesellschaftlichen Strukturen und Funktionen von Musik machen Webers Konzept aus. Sie verlangt von professionellen Musikerinnen, die vermittlerisch denken, dass sie sich hinterfragen, «den sicheren Hort ihrer Kernkompetenz» verlassen, zu Amateuren werden, indem sie Dinge versuchen, die sie bisher vielleicht nicht professionell gemacht haben, wie improvisieren, arrangieren, «über Musik sprechen und schreiben» und «in psychologischen und sozialen Kontexten künstlerisch handeln». Durch diese Beschäftigungen bereichert – so die Theorie – «kehren sie wieder in ihr System zurück, um es zu transformieren».
In sieben exemplarischen, aus ihren Thesen abgeleiteten Projektbeschreibungen gibt die Autorin Impulse für eigenes vermittlerisches Handeln. Da verschwimmen die Grenzen zwischen Konzert und Musiktheater, zwischen Bühne und Publikum. Die komplexen Anleitungen lassen aber erahnen, weshalb da nicht jeder ohne Vorbildung mal so drauflos vermitteln kann. Immerhin hat die künstlerische Musikvermittlung inzwischen den Status einer Wissenschaft erreicht und kann an der Hochschule der Künste in Bern (HKB) – bei der Autorin höchstpersönlich – als performatives Masterstudium belegt werden. Sie ist gar Pflichtfach für sämtliche Studiengänge in Klassik, Jazz, Rhythmik, Sound Arts, für Instrumentalisten, Sängerinnen und Komponisten.
Im Herbst startet die HKB auch mit dem neuen zweisemestrigen CAS Musikvermittlung heute, eine Nachdiplom-Weiterbildung für Musikerinnen, Dramaturgen, Kulturvermittlerinnen (Anmeldeschluss: 31. Mai).